Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher.
Sehr geehrte Damen und Herren.
Es ist wieder so weit: Ein neuer Haushalt liegt vor uns, eine neue Erzählung der
Stadtregierung – gespickt mit großen Zahlen, noch größeren Versprechungen
und der altbekannten Dramaturgie. Doch was bleibt hinter den Kulissen? Ein
Stillstand, der sich als Fortschritt tarnt.
Der Bürgermeister hat sich Zeit gelassen – Monate der Verzögerung. Und was
bekommen wir? Einen Haushaltsentwurf, nein, eigentlich sogar zwei, die eher an
ein Drehbuch für eine Tragödie erinnern als an eine zukunftsfähige Finanzpolitik.
Die Schulden steigen: 72,99 Millionen Euro im Jahr 2026, bis 2028 werden es
92,08 Millionen Euro sein. Und das ist nur der geplante Schuldenstand, denn
Einnahmen können auch aus unvorhergesehenen Gründen wegfallen. Der Wille
fehlt, einen Plan vorzulegen, wie dieser Berg abgebaut werden soll. Stattdessen
sollen Grundstücksverkäufe als kurzfristige Einnahmequelle zur Deckung der
jährlichen Haushaltslöcher dienen – allein 2025 sind es 9,5 Millionen Euro und
2026 4,55 Millionen Euro. Eine langfristige Strategie? Fehlanzeige. Denn auch
unsere städtischen Grundstücke sind begrenzt. Der Ausverkauf unseres
Tafelsilbers ist in vollem Gange.
Die Gewerbesteuereinnahmen steigen, sagt uns die Koalition. Das stimmt. Aber
die Stadt Hattersheim hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Und
was passiert eigentlich, wenn einer der großen Gewerbesteuerzahler seinen
Hauptsitz verlegt? Nehmen wir als Beispiel die Rechenzentrumsbetreiber – eine
schnelllebige Branche. Wenn hier ein Unternehmen wegbricht, hat das sofort
drastische Auswirkungen auf den Haushalt. Daher gilt es, jede Ausgabe auf ihre
Zweckmäßigkeit und Erforderlichkeit hin zu überprüfen.
–
Während an der einen Stelle gespart wird, wird an anderer großzügig
ausgegeben. Die Personalausgaben steigen weiter – und zwar nicht nur aufgrund
der Tarifverhandlungen, wie der Bürgermeister behauptet, sondern auch, weil
im vergangenen Jahr 14 neue Stellen geschaffen wurden, inklusive der damit
verbundenen Folgekosten. Um es deutlich zu sagen: waren es 2017 noch 125
Stellen, sind es mittlerweile 227 Stellen (ohne Sozial- und Erziehungsdienste) in
der Hattersheimer Verwaltung. Nun wird plötzlich betont, man gehe sparsam
mit Personal um, nur weil aktuell keine weiteren Neueinstellungen geplant sind.
Das zeigt deutlich, worum es dieser Koalition wirklich geht: nicht um eine
nachhaltige Stadtentwicklung, sondern um den eigenen Machterhalt.
Besonders absurd wird es, wenn wir auf die Sach- und Dienstleistungen blicken.
Noch im vergangenen Jahr wurde unser Vorschlag, hier Einsparungen
vorzunehmen, abgelehnt. Dabei wurde der Opposition vorgeworfen, lediglich
Wunschlisten aufzustellen. Tatsächlich haben wir im vergangenen Jahr gezielt
Kosteneinsparungen vorgeschlagen, weil wir uns der schwierigen finanziellen
Lage bewusst sind und eine verantwortungsvolle Oppositionsarbeit leisten. Nun
wird genau diese Maßnahme still und leise umgesetzt – allerdings nicht, um in
die richtigen Zukunftsprojekte zu investieren, sondern um das strukturelle
Defizit notdürftig zu kaschieren bzw. um den übergeordneten Behörden
Sparwillen zu signalisieren. Denn die Wahrheit ist: 2026 stehen Erträge von 101,2
Millionen Euro Ausgaben von 110,7 Millionen Euro gegenüber – ein Defizit von
fast 10 Millionen Euro, welches mit Grundstücksverkäufen von 5 Millionen Euro
versucht wird ein wenig zu kaschieren.
Und dann wäre da noch die Stadthalle – ein fortlaufendes finanzielles Risiko. Ab
2026 wird sie zwar aus dem städtischen Haushalt ausgegliedert, doch das ändert
nichts an den hohen Kosten, die bereits entstanden sind. Im aktuellen
Haushaltsplan sind keine neuen Ausgaben für die Stadthalle vorgesehen, doch
bisher sind immer wieder unerwartete Kosten aufgetaucht – die fehlende
Transparenz bleibt ein Problem. Besonders fragwürdig ist die Vermarktung:
Bringt sie tatsächlich mehr ein, als sie kostet? Eine klare Antwort darauf bleibt
die Stadt schuldig. Ein weiteres Beispiel für das mangelhafte Management ist die
Klimaanlage: Zunächst hieß es, sie sei schlicht vergessen worden, später wurde
erklärt, dass die durch die Belüftung erzielte Temperaturabsenkung von vier
Grad Celsius nicht ausreiche – spätestens bei der Abifeier der Heinrich-Böll-
Schule wurde das deutlich. Die Kosten explodieren weiter: Während 2024 noch
800.000 Euro für die Klimaanlage angesetzt waren, sind es für das Haushaltsjahr
insgesamt 2 Millionen Euro für weitere verschiedene Maßnahmen eingeplant.
Interessant sind hier auch die Folgekosten pro Jahr. Die lagen (vor der Schließung)
bei ca. 350.000-400.000€/Jahr. Pro Tag also 1.000€. Das kann über die Miete nie
hereingeholt werden und ist heute sicher deutlich höher (inkl. Schuldendienst).
Kommen wir zur Stadtentwicklung. Es ist kaum zu fassen, dass das von der
Koalition beantragte integrierte Stadtentwicklungskonzept erst jetzt – nach zehn
Jahren – ausgeschrieben wird, nachdem bereits zahlreiche Flächen versiegelt
wurden und es kaum noch Raum für ein echtes Konzept gibt. Die Auswirkungen
sind unübersehbar: Eine massive Versiegelung durch mittlerweile 14
Rechenzentren, die wenig zur Lebensqualität beitragen und große Flächen
verschwenden, die für dringend benötigten Wohnraum und grüne Räume hätten
genutzt werden können.
Das von der Koalition vernachlässigte Thema der Verkehrsbelastung wird nun
durch neue Wohngebiete weiter verschärft. Ein Konzept, das den Verkehr in den
Griff bekommt, scheint auch nach Jahren noch nicht vorgelegt worden zu sein.
Bis auf Verkehrszählungen ist hier schlicht nichts passiert.
Besonders kritisch ist die Lage des Wohngebiets an der Voltastraße, das ohne
jeden Puffer direkt an Rechenzentren grenzt. Eine Stadtentwicklung, die ohne
Weitblick und Rücksicht auf die Lebensqualität geplant wird, hinterlässt
deutliche Spuren, die jetzt nicht mehr einfach korrigiert werden können.
Verkehrstechnisch steht uns hier zudem eine Katastrophe bevor: sowohl durch
Stauaufkommen als auch durch die Parkplatzsituation.
Anstatt endlich ein echtes Konzept zu präsentieren, das die drängenden
Herausforderungen berücksichtigt, wird weiterhin in Etappen und ohne klares
Ziel gearbeitet. Es ist höchste Zeit, dass der Stillstand endlich beendet und die
Entwicklung unserer Stadt mit dem nötigen Weitblick und der Verantwortung
vorangetrieben wird.
Und dann wird uns als Opposition vorgeworfen, wir hätten eine irrsinnig lange
Wunschliste zum Haushalt. Doch wer unsere Anträge (wirklich) gelesen hat, sieht
dass wir uns bewusst zurückgehalten haben, weil wir uns der finanziellen Lage
der Stadt bewusst sind – im Gegensatz zur Koalition. Daher sind diese gestanzten
Worthülsen nicht nur ärgerlich, sondern schlicht überflüssig.
Nun stimmen wir über einen Doppelhaushalt ab – ein geschickter Schachzug, um
zu verhindern, dass kurz vor der Kommunalwahl ein weiterer Haushalt
eingebracht werden muss. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Aber seien wir
ehrlich: Statt langfristiger Finanzplanung erleben wir hier einmal mehr politische
Taktiererei auf Kosten der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger.
Doch wir sind nicht hier, um nur Kritik zu üben. Wir sind hier, um Lösungen
aufzuzeigen – und die gibt es:
Wir fordern eine ehrliche Haushaltskonsolidierung, die nicht allein auf
Steuererhöhungen oder kurzfristigen Einsparungen beruht, sondern auf kluge
Investitionen und Einsparungen in den Bereichen, wo sie tragbar sind, wie wir
sie bereits in den letzten Haushaltsentwürfen vorgeschlagen hatten.
An dieser Stelle möchte ich explizit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Verwaltung danken, für die Zusammenstellung des Haushalts und für die
Beantwortungen unserer Sachfragen in den Ausschüssen.
Ja, ein Haushalt ist komplex. Er ist kein einfaches Zahlenwerk, sondern ein
Ausdruck dessen, wohin wir als Stadt steuern wollen. Aber lassen Sie mich mit
einem Gedanken schließen: Die Zukunft wird nicht durch Zufall gestaltet,
sondern durch Entscheidungen, die wir heute treffen. Lassen Sie uns gemeinsam
klügere Entscheidungen treffen.
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